18. Juli 2023 / Aus aller Welt

Hitze am Mittelmeer - und Siesta bald auch in Deutschland?

Morgens arbeiten, in der Hitze ruhen - das könnte heiße Sommer auch in Deutschland erträglicher machen. Die Siesta kennen viele Urlauber aus Spanien. Dort fordert derzeit eine Hitzewelle die Menschen.

Ein Mann mit einem Sonnenhut auf dem Gesicht liegt auf einer Wiese im Schatten und ruht sich aus.

Die Menschen am Mittelmeer stöhnen an vielen Orten weiter unter der Hitze. In Italien wurden am Dienstag teils über 40 Grad gemessen, auch die spanische Urlaubsinsel Mallorca erwischten die heißen Temperaturen. Dort sind es die Leute gewohnt, auch bei Hitze ihren Alltag zu meistern. Die Siesta, also die Ruhezeit in der heißesten Zeit des Tages, könnte man sich auch in Deutschland abgucken, finden manche.

«Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten», sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Arzt: Schwierige Aufgaben besser am Morgen - und später Siesta

«Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst. Schlechter Schlaf bei fehlender Abkühlung in der Nacht führt zusätzlich zu Konzentrationsproblemen», sagte Nießen. Komplexe Arbeitsanforderungen sollte man daher lieber in die frühen Morgenstunden verschieben, rät der Mediziner.

Zu Spanien gehört die Siesta wie die Paella und der Stierkampf. Wenn die Sonne besonders heiß vom Himmel knallt - so zwischen 14 und 18 Uhr -, dann zieht man sich zurück. Büros machen dann längere Pausen, in den meisten Läden werden «Geschlossen»-Schilder nach draußen gehängt. Anders als früher gibt es inzwischen in Spanien zwar fast überall Klimaanlagen, aber die Tradition hält sich. Während der Siesta halten allerdings heutzutage die wenigsten Spanier noch wie früher ein Nickerchen. Man geht ins Fitnessstudio oder ins Schwimmbad oder isst mit Familie oder Kollegen länger zu Mittag. Dafür muss man abends natürlich länger arbeiten.

Gesundheitsmeteorologe: Siesta ist eine tolle Sache

Eine Siesta, wie in südlichen Ländern üblich, habe vor allem einen Zweck: «So kann man tagsüber, wenn es heiß ist, die Aktivitäten reduzieren und die Sonnenexposition verringern», erklärte Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutscher Wetterdienstes (DWD). Aus seiner Sicht wäre sie auch in Deutschland an heißen Tagen eine «tolle Sache».

Die Menschen müssten es lernen, sich bei Hitze anders zu verhalten, betonte der Gesundheitsmeteorologe. «Da muss eine Kulturänderung stattfinden», sagte Matzarakis. Es gelte etwa zu prüfen, ob Arbeitszeiten entsprechend angepasst werden könnten. Doch schon Gleitzeitregelungen mit besonders frühem Arbeitsbeginn könnten helfen. Auch Ernährung sollte heißen Temperaturen angepasst werden: «Lieber Salat oder Wassermelone - und nicht etwa eine Schweinshaxe.»

Experten sehen je nach Beruf Schwierigkeiten

Sollte es zur Einführung einer Siesta kommen, müssten aber auch noch weitere Fragen bedacht werden: «Was ist mit den Rettungsdiensten? Was ist mit Betreuenden und Pflegekräften - und mit den Betreuten, wenn die auch in die Siesta gehen?», sagte Matzarakis.

Schwierig würde es zum Beispiel auch für Bauarbeiter, die lange Anfahrten haben und den Lärmschutz beachten müssen, wie der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, anmerkte. Trotzdem: «Bei diesen Temperaturen, bei denen das Thermometer mittlerweile die 40-Grad-Grenze immer wieder schrammt, gibt es nur eines: runter vom Bau, vom Feld, von der verschmutzten Dachterrasse», sagte der Gewerkschafter laut Mitteilung. Für die fehlende Arbeitszeit solle dann mit staatlichen Hilfen Ausfallgeld bezahlt werden.

Gesundheitsminister sieht Arbeitgeber und Beschäftigte gefragt

«Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag», schrieb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dazu auf Twitter. Der SPD-Politiker sieht in der Frage allerdings nicht die Politik gefordert. Das sollten «Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln», so der Gesundheitsminister. «Medizinisch sicher für viele Berufe sinnvoll.» Auch FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann sprach sich gegen eine Einmischung der Politik aus.

Der Arbeitgeberverband BDA sieht dagegen Potenzial für den Gesetzgeber: Schon jetzt nähmen die Arbeitgeber ihre Fürsorgepflicht sehr ernst. Aber: «Unterstützend kann bei längeren Pausen eine Reform des Arbeitszeitrechts helfen, um Beschäftigten die Chance zu geben, flexibler zu arbeiten», hieß es in der Stellungnahme für das RND. «Dazu können auch längere Mittagspausen gehören, wenn es von den betrieblichen Abläufen her möglich ist und Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich einig sind.» Die Politik müsse den Rahmen für individuelle und flexible Arbeitszeitlösungen schaffen.

Mehr als 40 Grad auf Mallorca, Sizilien und Sardinien erwartet

In Spanien hat der Höhepunkt der dritten Hitzewelle des Sommers am Dienstag Einheimische und auch Touristen mächtig ins Schwitzen gebracht. Am schlimmsten erwischte es diesmal unter anderem die Urlauberhochburg Mallorca: Für den Norden und Osten der Insel kündigte der nationale Wetterdienst Aemet Höchsttemperaturen von mindestens 43 Grad an. Am Ballermann wurden am frühen Nachmittag bereits 38 Grad gemessen. In Spanien werden laut Aemet immer mehr und immer intensivere Hitzewellen registriert. Experten führen das auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurück.

In der italienischen Hauptstadt Rom wurden nach Daten des Wetterdienstes der Luftwaffe mittags 41 Grad gemessen, auf Sardinien und Sizilien in einigen Gegenden 43 bis 44 Grad. Entspannung ist vorerst nicht in Sicht. Für Mittwoch hat das Gesundheitsministerium für 23 größere Städte die höchste Alarmstufe für Hitze ausgerufen. Die Hitzewelle dürfte noch die ganze Woche andauern.

Bei Hitzewellen ist vor allem die hohe Nachttemperatur ein Gesundheitsrisiko, wie der Extrem-Wetter-Experte John Nairn von der Weltwetterorganisation (WMO) sagte. «Der Körper kann sich dann nicht erholen.»

Temperaturen in Deutschland wieder gemäßigter

In Deutschland erwarten die DWD-Meteorologen in den kommenden Tagen eine geteilte Wetterlage - mit kühlerer Meeresluft im Norden und schwülwarmem Wetter im Süden. Im Norden und Nordwesten soll es am Mittwoch bis zu 25 Grad warm werden, sonst liegen die Höchstwerte bei 24 bis 30 Grad.


Bildnachweis: © Sebastian Kahnert/zb/dpa
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