21. August 2023 / Aus aller Welt

«Wollte Gott spielen»: Lebenslang für Babymorde in England

13 Babys hat Lucy Letby attackiert, dabei sollte die Krankenschwester doch für die Kinder sorgen. Mehrere Opfer starben, wenige Tage nach ihrer Geburt. Die 33-Jährige wird hinter Gittern sterben.

Die Krankenschwester Lucy Letby (m.) bei der Urteilsverlesung im Manchester Crown Court (Gerichtszeichnung vom 10.08.)

Sie tötete sieben Babys und versuchte es bei sechs weiteren: Die ehemalige Krankenschwester Lucy Letby ist in Großbritannien zur Höchststrafe verurteilt worden. «Sie werden den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen», sagte Richter James Goss in Manchester.

Die 33-Jährige habe «grausam, kalkulierend und zynisch» gehandelt, als sie die Neugeborenen attackierte. «Einige Ihrer Opfer waren nur einen Tag oder ein paar Tage alt», sagte Goss. Es handelt sich um die schwerste Mordserie an Babys in der jüngeren britischen Geschichte. Die Angehörigen im Saal weinten und hielten sich in den Armen, als der Richter das Strafmaß verkündete.

«Whole-life order»

Letby ist nun die vierte Frau, die in Großbritannien zu «whole-life order» genannter lebenslanger Haft verurteilt wurde und im Gefängnis sterben wird. Ihrem Urteil blieb sie fern, die Anklagebank war leer. Als «letzten Akt der Bosheit eines Feiglings» kritisierte die Mutter von zwei Opfern das Verhalten der 33-Jährigen, ähnlich äußerte sich Premierminister Rishi Sunak. Er will Straftätern gesetzlich vorschreiben, ihrer Verurteilung persönlich beizuwohnen.

Am letzten Tag standen die Angehörigen im Mittelpunkt. Sie trugen einen Anstecker mit blauen und rosa Schleifen, die die attackierten Babys symbolisierten. In Aussagen, oft unter Tränen, berichteten sie, wie der Tod ihrer Kinder ihr Leben verändert hat. Anders als bei der Angeklagten dürfen ihre Namen nicht berichtet werden, die Opfer haben deshalb Buchstaben bekommen: von Kind A bis Kind Q - es ist ein Alphabet des Grauens.

Da ist zum Beispiel Kind D. Vorzeitig geboren, starb das Mädchen plötzlich. Die Beisetzung fand noch vor dem errechneten Geburtstermin statt. «Meine Arme, mein Herz, mein Leben fühlten sich so schmerzhaft leer an», sagte die Mutter, von Emotionen übermannt, vor Gericht. Sie frage sich jeden Tag, ob sie ihre Tochter im Stich gelassen habe. Der Vater der getöteten Brüder O und P sagte: «Lucy Letby hat unsere Leben zerstört.»

In vielen Fällen war es Letby, die sich nach dem Tod um die kleinen Körper kümmerte. Bei Kind C etwa, einem Jungen, half sie, eine Box mit Erinnerungen zusammenzustellen, mit einem Fußabdruck. Den Leichnam von Kind E, ebenfalls ein Junge, wusch sie, bevor sie ihn in ein wollenes Gewand kleidete, das sie mit ihren Kolleginnen extra ausgesucht hatte. Wie die Mutter des Kinds erzählte, hatte Letby den ganzen Weg der Familienplanung miterlebt. Der Zwillingsbruder von E, Kind F, überlebte den Mordversuch. «Lucy wusste von unserer Reise und hat unseren Jungs absichtlich erheblichen Schaden und Grausamkeit zugefügt», sagte die Mutter.

Motiv bleibt ungeklärt

Zwar betonten die Angehörigen, dank des Urteils könnten sie anfangen, mit dem Tod ihrer Kinder abzuschließen. «Wir wollten Gerechtigkeit für (Kind D), und dieser Tag ist nun gekommen», sagte dessen Mutter. Eine andere nannte Letby einen «Niemand». Doch die Frage nach dem Warum ist noch offen. Weil die frühere Krankenschwester bis zuletzt ihre Schuld bestreitet, bleibt ihr Motiv verborgen.

Ankläger Nicholas Johnson brachte mehrere Theorien vor. «Letztendlich wollte sie Gott spielen», sagte er über einen Fall, in dem Letby mit einem Kollegen über den bevorstehenden Tod eines Babys sprach. «Sie genoss, was passierte, und sagte fröhlich etwas voraus, von dem sie wusste, dass es geschehen würde», sagte Johnson. Letby hatte Kind P mit Milch überfüttert - 13 Minuten, nachdem sie dessen Drillingsbruder getötet hatte. Anderen Kindern injizierte sie Luft oder Insulin. Auch der Richter räumte ein, er kenne die Gründe nicht.

Notizen könnten der einzige Hinweis auf ein Geständnis bleiben. «Ich bin böse, ich habe das getan», stand auf einem Klebezettel, den Ermittler in Letbys Wohnung fanden. Und: «Ich verdiene nicht zu leben. Ich habe sie absichtlich getötet, weil ich nicht gut genug bin, mich um sie zu kümmern. Ich werde nie heiraten oder Kinder haben. Ich werde nie wissen, wie es ist, eine Familie zu haben.» Letby sagte im Prozess, die Notizen seien Ausdruck ihrer seelischen Qualen, nachdem die Kinder in ihrer Obhut gestorben waren. Das nahm ihr die Jury nicht ab. Wie die Zeitung «Guardian» schrieb, könnte Letby in Dutzenden weiteren Fällen versucht haben, Babys zu töten.

Offen ist auch, warum Letby nicht früher gestoppt wurde. Das Klinik-Management hatte Hinweise von Kollegen oder Vorgesetzten ignoriert oder gar schroff zurückgewiesen. Die Regierung hat eine Untersuchung angeordnet. «Nichts kann ändern, was uns geschehen ist», sagte die Mutter der Kinder E und F. «Wegen Lucys Verbrechen sitzen wir eine lebenslange Haftstrafe ab.»


Bildnachweis: © Elizabeth Cook/PA Wire/dpa
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