16. April 2025 / Aus aller Welt

«Don´t touch me»: Bewährungsstrafe für tödlichen Messerstich

Tatort: Der Bahnhof von Kaiserslautern. Dort fasst ein Mann auf einer Rolltreppe einer Frau ans Gesäß. Die wehrt sich und ersticht den 64-Jährigen. Nun fiel das Urteil in einem vielschichtigen Fall.

Der Fall ereignete sich im Juni 2024 im Gebäude des Hauptbahnhofs Kaiserslautern.

Nach einer sexuellen Belästigung auf einer Rolltreppe hat eine junge Frau in Kaiserslautern den übergriffigen Mann erstochen - nun hat ein Gericht die 21-Jährige deswegen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Knapp ein Jahr nach dem tödlichen Messerstich im Hauptbahnhof verurteilte das Landgericht Kaiserslautern die Frau wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

Der Tat im Juni 2024 war eine sexuelle Belästigung der Frau und ein Streit mit dem übergriffigen Mann vorangegangen. Man habe es als erwiesen angesehen, dass für die Angeklagte damals keine Notwehrlage vorgelegen habe, sagte die Richterin. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Übergriff auf der Rolltreppe

Den Ermittlungen zufolge hatte ein 64 Jahre alter Mann der Frau auf einer Rolltreppe im Hauptbahnhof ans Gesäß gefasst. Beim folgenden Streit in der Unterführung des Hauptbahnhofs zog die Frau ein Messer.

Videoaufzeichnungen dokumentieren das laut Gericht «dynamische» Geschehen. Frau und Mann machen demnach Schritte aufeinander zu und voneinander weg, es seien Stichversuche zu sehen, der Mann ergreife den Arm mit dem Messer. Dann breche er zusammen.

Die Angeklagte habe mit erhobenem Arm mit dem Messer Richtung Brust gestochen, sagte die Richterin. Dies sei aus Sicht der Kammer kein Verteidigen mehr, sondern ein Angriff. «Wenn man sich nicht mehr in einer Notwehrlage befindet, wird man selbst zum Angreifer.»

«Don´t touch me»

Erleichternd wertete die Kammer, dass die Frau nicht vorbestraft sei und sich zur Tat geäußert habe. Das Gericht trug der Angeklagten auch 500 Stunden gemeinnütziger Arbeit und Beratungsgespräche bei der Drogenhilfe auf. Dies sei als Unterstützung gedacht, «die Sie dringend brauchen». 

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von 21 Monaten auf Bewährung wegen Körperverletzung mit Todesfolge beantragt. Die Frau habe «schwere Schuld» auf sich geladen, aber keinen Tötungsvorsatz gehabt. Sie habe Zeuginnen zufolge den Mann nach einem «massiven sexuellen Übergriff» aufgefordert: «Don´t touch me». Notwehr verneinte die Staatsanwaltschaft. «Ihr Notwehrrecht endete mit dem Griff zum Messer.»

Die Verteidigung plädierte auf eine Jugendstrafe von höchstens einem Jahr auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung. Die Nebenklage hingegen hatte eine Gefängnisstrafe wegen Totschlags beantragt.

Der Getötete war dem Gericht zufolge vor der Tat bereits wegen sexueller Belästigung in vier Fällen 2024 zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro verurteilt worden.

Wie ein roter Faden

Die angeklagte US-Amerikanerin wurde bei Bamberg geboren, ihre Eltern waren in Deutschland stationiert. Sie ging als Zweijährige zurück in die USA und kehrte später mit der Mutter wieder. Zuletzt lebte sie in einem WG-Zimmer in Kaiserslautern und hatte verschiedene Jobs auf dem US-Stützpunkt Ramstein.

Ein Gutachten vor Gericht zeichnete ein Bild der Angeklagten als «ungefestigte Persönlichkeit» mit «Defiziten in allen Bereichen». Sie sei als Kind oft umgezogen, habe meist in einer finanziell angespannten Situation gelebt, recht früh Drogen konsumiert, sei nach eigenen Angaben sexuell belästigt und gemobbt worden und depressiv. «Es zog sich wie ein roter Faden durchs Leben, ausgeschlossen zu werden», zitierte eine Expertin aus dem Gutachten.

In ihrem Schlusswort hatte die Angeklagte über eine Übersetzerin mitgeteilt, sie habe in Notwehr gehandelt, als der Mann aus Eritrea während der Auseinandersetzung in der Unterführung ihre Hand ergriffen habe. Vor der Urteilsverkündung appellierte sie an die Richterin: «Ich hoffe, dass Sie eine Entscheidung treffen können, die mir hilft.»


Bildnachweis: © Wolfgang Jung/dpa
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