10. Juni 2021 / Aus aller Welt

Experten: Schlechter Klimaschutz zerstört Artenvielfalt

E-Fahrzeuge sind gut, aber der Rohstoffabbau für die Batterien schadet der Umwelt. Biomasse für umweltfreundliche Kraftwerke ist gut, aber die Artenvielfalt leidet. Wissenschaftler sagen, wie es besser geht.

Auf einem Feld eines Landwirtschaftsbetriebes wird Mais für eine Biogasanlage und als Futter für Kühe gehäckselt (Luftaufnahme mit einer Drohne). Klimaschutzmaßnahmen können schwere Fo...

Klimaschutzmaßnahmen können schwere Folgen für die Artenvielfalt haben. Davor warnen Wissenschaftler und fordern, die Klima- und die Artenvielfaltskrise wie zwei Seiten einer Medaille zu betrachten.

Ansonsten könnten vermeintliche Lösungen für die eine Krise die andere noch verstärken, heißt es in einem Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES und des Weltklimarats IPCC. Sie haben erstmals gemeinsam über Lösungen für die eng verflochtenen Krisen beraten und ihre Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht.

Guter Artenschutz diene dem Klima, argumentieren die Wissenschaftler. Sie verlangen, dass 30 bis 50 Prozent der Meeres- und Landflächen weltweit unter Naturschutz gestellt werden. Zurzeit sind es etwa 15 Prozent der Land- und 7,5 Prozent der Ozeanflächen. Kreislaufwirtschaft müsse gefördert werden, um weniger Ressourcen zu verwenden. Die Welt müsse weg von Wegwerfprodukten. Subventionen, die Arten gefährden, müssten abgebaut werden, um Überfischung, Kahlschlag in Wäldern oder Überdüngung von Feldern zu verhindern.

«Klimaschutz wird oft ohne Artenvielfalt gedacht, das müssen wir ändern», sagte einer der Autoren, Klimaforscher Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven in einem Pressegespräch des Science Media Centers. Als Beispiel für Maßnahmen, die beides fördern, gilt die Wiederherstellung von Mooren. Sie können viel klimaschädliches CO2 binden und sind gleichzeitig ein Biotop für viele Arten.

Ein Beispiel für schädliche Einflüsse von Klimamaßnahmen nennt Ko-Autor Josef Settele vom Umweltforschungszentrum (UFZ) in Halle/Saale: «Biomasse-Plantagen sind eine richtig schlechte Idee, wenn wir Klimaschutz und Biodiversität kombinieren wollen», sagt er. So hätten etwa Maisfelder für Biogas wenig Artenvielfalt. Probleme gebe es auch bei Aufforstung mit nur einer Baumart. Das sehe man im Harz, wo Fichtenplantagen unter dem Klimawandel litten und anfällig seien für Borkenkäfer. Monokulturen könnten auch Nährstoffkreisläufe und Wasserhaushalte stören.

Ein weiteres Beispiel ist die Elektromobilität: Mehr Elekro- statt Verbrennungsmotoren schonen zwar das Klima. Aber für die Batterien seien Rohstoffe nötig, die in Bergwerken mit schädlichen Folgen für Umwelt und Menschen abgebaut würden, sagte Almut Arneth vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) in Garmisch-Patenkirchen. Hier seien neue Technologien gefragt, um die Rohstoffe zu schonen.

Der Artenschwund hat viele Ursachen: Ausbau der Landwirtschaft und der Städte, Überfischung der Meere, Umweltverschmutzung und der Klimawandel. Die Zahl der Säugetiere, Vögel, Amphibien, Reptilien und Fische ist nach Angaben der Umweltorganisation WWF von 1970 bis 2016 um 68 Prozent zurückgegangen. Über Millionen Jahre sind zwar immer Arten ausgestorben und neue entstanden. Der Schwund passiere heute aber 1000 bis 10.000 Mal schneller, als es ohne menschlichen Einfluss der Fall wäre, schätzt die Weltnaturschutzunion IUCN.

Wichtigste Aufgabe der nächsten Bundesregierung sei es, dafür zu sorgen, dass die Ziele der Pariser Klimakonferenz erreicht würden, sagte Pörtner. Die Bundesrepublik will nach bisherigen Plänen den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Klimaneutral soll Deutschland 2045 sein.

Die Forderung, beim Klimaschutz die Folgen für die Artenvielfalt und die betroffenen Menschen stärker zu berücksichtigen, ist nicht neu. Aber auf Regierungs- und internationaler Ebene werden die Themen oft noch getrennt betrachtet: hier der Weltbiodiversitätsrat, dort der Weltklimarat.


Bildnachweis: © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
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