21. Oktober 2021 / Aus aller Welt

Holz und Sonnensturm geben Belege für Wikinger in Amerika

Ein Forscherteam konnte das exakte Jahr ermitteln, in dem Wikinger bereits in Amerika lebten. Ein Sonnensturms vor über tausend Jahren half den Wissenschaftlern.

Mikroskopische Aufnahme eines Holzfragments aus den nordischen Schichten in L'Anse aux Meadows. Vor genau tausend Jahren, im Jahr 1021, könnten bereits Wikinger in Nordamerika gelebt haben.

Vor genau tausend Jahren, im Jahr 1021, könnten bereits Wikinger in Nordamerika gelebt haben. Das legt zumindest eine Analyse hölzerner Überreste nahe, die ein Forscherteam im Fachblatt «Nature» präsentiert.

Die Fundstücke sind demnach die ältesten exakt datierten Belege dafür, dass Menschen aus Europa über den Atlantik nach Amerika gekommen sind. Bei der Altersbestimmung der Holzstücke half dem Team ein heftiger Sonnensturm.

Lange vor Kolumbus

Dass Kolumbus nicht der erste Europäer war, der den amerikanischen Kontinent erreichte, ist schon seit geraumer Zeit bekannt. Nicht zuletzt die Sagas, altnordische Erzählungen aus dem Mittelalter, beschreiben relativ ausführlich, wie die Wikinger mit ihren ikonischen Langschiffen schon Hunderte Jahre zuvor über den Atlantik segelten. Doch diese zunächst mündlich überlieferten Erzählungen wurden lange Zeit als Mythen und Märchen abgetan - auch, weil sie viele widersprüchliche und fantastische Elemente enthalten. Erst die Entdeckung der archäologischen Fundstätte L’Anse aux Meadows 1961 an der Nordspitze der kanadischen Insel Neufundland ließ aus den Sagas historische Quellen werden. Das exakte Alter der Siedlung konnte bislang allerdings noch nicht bestimmt werden, ebenso wenig wie der genaue Zeitpunkt der Wikingerankunft auf dem Kontinent.

Drei unscheinbare Holzstücke, die eben in L’Anse aux Meadows gefunden wurden, scheinen nun eine präzisere Datierung zu erlauben. Die von unterschiedlichen Bäumen stammenden Überreste wurden von einem Team um die Geochronologen Michael Dee und Margot Kuitems von der Universität Groningen genauer unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass die hölzernen Artefakte den nordeuropäischen Seefahrern zuzuordnen sind - nicht nur wegen ihres Fundortes, sondern auch weil sie eindeutige Bearbeitungsspuren von Klingen aus Metall aufwiesen, eines Materials, das von der einheimischen Bevölkerung jener Zeit nicht hergestellt wurde.

Kosmisches Ereignis hilft dem Forscherteam

Bei der Klärung der Frage, wann das Holz der Artefakte gewonnen wurde, halfen den Wissenschaftlern nun Radiokarbondatierungen, die sowohl an der Universität Groningen als auch am Mannheimer Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie durchgeführt wurden, sowie ein kosmisches Ereignis: Im Jahr 992 n. Chr. ereignete sich ein massiver Sonnensturm, der ein deutliches Radiokarbonsignal in den Baumringen der folgenden Jahre erzeugte.

«Der klare Anstieg der Radiokohlenstoffproduktion zwischen 992 und 993 n. Chr. wurde in Baumringarchiven auf der ganzen Welt festgestellt», erklärt Forschungsleiter Dee in einer Mitteilung. Jenes Signal habe sich bei jedem der drei untersuchten Holzobjekte 29 Wachstumsringe vor der Rindenkante gezeigt. «Die Tatsache, dass wir das Signal des Sonnensturms 29 Wachstumsringe vor der Rinde gefunden haben, erlaubt uns die Schlussfolgerung, dass die Schneideaktivität im Jahr 1021 n. Chr. stattfand», fasst Hauptautorin Kuitems zusammen.

Damit setze ihre Analyse einen neuen Marker für die Ankunft der Europäer auf dem amerikanischen Kontinent, so die Autoren. Darüber hinaus betone sie den potenziellen Wert kosmischer Strahlungsereignisse - wie hier des starken Sonnensturms - als Referenzpunkte für die zukünftige Datierung von Artefakten und Umweltereignissen.

Wie lange blieben die Wikinger in Amerika?

Unklar bleibt indes, wie viele Expeditionen die Wikinger nach Amerika unternahmen und wie lange sie dort blieben. Ebenso wenig ist bislang darüber bekannt, wie sich ihre Aufenthalte auswirkten. Die isländischen Sagas ließen vermuten, dass die Wikinger mit den indigenen Völkern Nordamerikas in einen kulturellen Austausch getreten seien, schreiben die Wissenschaftler dazu: «Wenn diese Begegnungen tatsächlich stattgefunden haben, könnten sie unbeabsichtigte Folgen gehabt haben, wie die Übertragung von Krankheitserregern, die Einführung fremder Tier- und Pflanzenarten oder sogar den Austausch menschlicher genetischer Informationen.»

Jüngste Daten aus der nordgrönländischen Bevölkerung zeigten jedoch keine Hinweise auf letzteres. Die Autoren schließen: «Wie sich das Jahr 1021 n. Chr. zu den transatlantischen Aktivitäten der Wikinger insgesamt verhält, ist Gegenstand künftiger Forschung. Nichtsdestotrotz bieten unsere Ergebnisse einen chronologischen Anker für weitere Untersuchungen über die Folgen ihrer westlichsten Expansion.»


Bildnachweis: © Petra Doeve/Springer Nature/dpa
Copyright 2021, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Meistgelesene Artikel

Sachbeschädigungen an Kindertagesstätte und Grundschule in Stukenbrock
Polizeimeldung

Kriminalität Sachbeschädigungen an Kindertagesstätte und Grundschule in Stukenbrock Am vergangenen Wochenende...

weiterlesen...
Vorsorgemaßnahme: Private Trinkwasserbrunnen werden beprobt
Kreis Gütersloh

Gütersloh. Die PFAS-Belastung auf dem Flughafengelände an der Marienfelder Straße breitet sich jenseits des...

weiterlesen...
Polizei erschießt mutmaßlichen Angreifer in Recklinghausen
Aus aller Welt

Erneut geht in NRW ein Schusswaffengebrauch der Polizei tödlich aus. Ein mutmaßlicher Messerangreifer starb dabei in Recklinghausen. Erst am Dienstag war es in Moers zu einem tödlichen Fall gekommen.

weiterlesen...

Neueste Artikel

Teile Tschechiens, Polens und Österreichs sind unter Wasser
Aus aller Welt

Ganze Regionen in Tschechien leiden unter einem Jahrhunderthochwasser. Auch in Gebieten in Polen und Österreich gibt es Überschwemmungen. In Deutschland steigen ebenfalls die Pegelstände.

weiterlesen...
Kfz-Check nach dem Urlaub
Aktueller Hinweis

TÜV NORD erklärt, wie Fahrzeuge fit und sicher in den Herbst starten

weiterlesen...

Weitere Artikel derselben Kategorie

Teile Tschechiens, Polens und Österreichs sind unter Wasser
Aus aller Welt

Ganze Regionen in Tschechien leiden unter einem Jahrhunderthochwasser. Auch in Gebieten in Polen und Österreich gibt es Überschwemmungen. In Deutschland steigen ebenfalls die Pegelstände.

weiterlesen...
Land unter in Asien: Nach Taifun «Yagi» rückt «Bebinca» an
Aus aller Welt

Der Norden Südostasiens kämpft noch mit den Folgen von Sturm «Yagi», da droht schon der nächste Taifun im Süden Chinas auf Land zu treffen. Landstriche stehen unter Wasser, vielerorts gibt es Tote.

weiterlesen...