12. Oktober 2021 / Aus aller Welt

Landwirtschaft für Insekten schädlicher als Klimawandel

Vor einigen Jahren machten Berichte über ein rasches Insektensterben Schlagzeilen. Nun haben Forscher der Universität Würzburg noch mal genauer nach Ursachen gesucht.

Eine Hummel sammelt Pollen.

Insekten sind wichtig für das Überleben der Menschheit. Schließlich sorgen sie unter anderem dafür, dass Bäume und andere Pflanzen bestäubt werden. Dass es einen dramatischen Insektenschwund gibt, ist deshalb beunruhigend.

Doch was sind die Ursachen dafür? Forscher der Universität Würzburg fanden in einer Studie in Bayern heraus, dass vor allem Eingriffe der Menschen in die Natur dafür verantwortlich sind. Die Erwärmung infolge des Klimawandels spiele dagegen zumindest hierzulande eine geringere Rolle, als bislang angenommen.

Negative Folgen haben demnach etwa die zunehmende Verstädterung und die damit verbundene Versiegelung von Böden oder intensive Landwirtschaft. Höhere Temperaturen dagegen könnten sich sogar positiv auf die Menge der Insekten und die Anzahl der Arten auswirken, heißt es in der Untersuchung, die am Dienstag im Journal «Nature Communications» veröffentlicht wurde. Das gelte jedoch nur bis zu einer gewissen Temperaturgrenze, die aber hierzulande noch nicht erreicht sei, sagte der Biologe Johannes Uhler, der Erstautor der Studie.

In bisherigen Untersuchungen zu diesem Thema hatten die Würzburger Schwächen ausgemacht. Bislang habe man für das Insektensterben vor allem die Veränderungen der Landnutzung verantwortlich gemacht, etwa durch den Anbau von Monokulturen wie Raps oder Mais. Auch der Klimawandel mit vermehrter Hitze und Trockenheit sei als Ursache genannt worden. Doch bisherige Befunde bildeten die Vielfalt der Insektenarten nicht gut genug ab oder berücksichtigten nur kurze Zeiträume oder kleine Gebiete, so ihre Kritik.

Im Frühjahr 2019 stellten die Forscher vom Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie an der Universität Würzburg deshalb an 179 Orten in ganz Bayern Netzfallen auf, vom Tiefland bis in die Berge, in Wäldern, auf Wiesen und Feldern, in naturnahen Gebieten und in Siedlungen. Eine ganze Vegetationsperiode lang seien die Fallen alle 14 Tage geleert worden. Anschließend bestimmten Forscher die Biomasse, also das Gewicht der gefangenen Insekten, das als Maßstab für die Menge gilt, die in einem Gebiet vorkommt. Zudem habe man mit Hilfe von DNA-Analysen die Arten identifiziert.

Am besten schnitten naturnahe Gebiete ab wie zum Beispiel Wälder. Hier fanden die Forscher die meisten Arten und die meisten Insekten. In der Stadt dagegen war die Biomasse der Insekten nach Auskunft der Forscher um 42 Prozent niedriger. Rund um bewirtschaftete Flächen war dagegen die Artenvielfalt um 29 Prozent niedriger. «Es wurden sogar 56 Prozent weniger gefährdete Arten in landwirtschaftlichen Gebieten gefunden», erläuterte Uhler.

Urbanisierung führe zu einem Rückgang der Biomasse und die Ausweitung landwirtschaftlich genutzter Flächen zu einem Rückgang des Artenreichtums, resümierten die Wissenschaftler. Allerdings: Aus einem Rückgang der Biomasse dürfe man nicht schließen, dass es gleichzeitig auch weniger Arten gebe - und umgekehrt, sagte Uhler.

Auch Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle ist sicher, dass wärmeres Klima nicht unbedingt schadet. «Grundsätzlich sind Insekten im Großen und Ganzen wärmeliebende Tiere, weshalb ihnen höhere Temperaturen erst mal entgegenkommen», erklärt der Biologe. Wichtig seien aber auch indirekte Wirkungen, wenn etwa wegen höherer Temperaturen die Nahrungspflanzen nicht mehr vorkommen könnten oder sich die klimatischen Vorlieben von Insekt und Nahrungspflanze auseinander entwickelten.

Lebensräume gehen für Insekten immer weiter verloren

Was Settele Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass Lebensräume für Insekten immer weiter verloren gehen, für häufige Arten ebenso wie für seltene und gefährdete. Er spricht von einem deutlichen Verlust der Vielfalt an Insekten, «praktisch quer über alle Gruppen hinweg». Bei der Menge gebe es unterschiedliche Ergebnisse, sie sei aber auch meist rückläufig.

Doch was tun? Die Würzburger Forscher empfehlen unter anderem mehr Grünflächen in Städten, etwa am Straßenrand oder auf Dächern. Zudem solle man bestehende Agrarumweltprogramme weiter ausbauen und den Wald als Lebensraum fördern. Auch Hecken und Ackerrandstreifen seien wichtig, erklärt Uhler. Davon könnten viele Insekten auch von der Roten Liste profitieren, etwa Wildbienenarten, Heuschrecken oder Schmetterlinge.

Doch lassen sich die bayernweiten Erkenntnisse auf ganz Deutschland übertragen? Uhler verweist auf sehr spezielle Klimabedingungen in einzelnen Regionen, etwa im norddeutschen Küstengebiet. Im Großen und Ganzen seien die Ergebnisse aber wohl übertragbar. Und auch der Biologe Settele ist sicher: Bezüglich des Rückgangs in landwirtschaftlich geprägten Gebieten erschienen die Ergebnisse auf alle Fälle repräsentativ.


Bildnachweis: © Jens Büttner/dpa-Zentralbild/ZB
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