17. August 2021 / Aus aller Welt

Haiti: Tropensturm setzt Menschen in Erdbebenregion zu

Die Not ist groß im Süden Haitis, drei Tage nach dem Beben mit mehr als 1400 Toten. Zehntausende haben ihr Zuhause verloren, Hilfe kommt nur schleppend an. Nun bringt auch noch ein Sturm heftigen Regen.

Kinder versuchen in Les Cayes, sich mit einer Plane vor dem Regen zu schützen.

Nach dem Erdbeben mit mehr als 1400 Toten ist ein Sturm mit starkem Regen über das betroffene Gebiet im Süden Haitis hinweggefegt.

«Grace» erstarkte in der Nacht zum Dienstag (Ortszeit) laut US-Hurrikanzentrum von einem Tiefdruckgebiet zu einem Tropensturm und zog mit anhaltenden Windgeschwindigkeiten um die 65 Stundenkilometer über den Süden der Insel Hispaniola hinweg, auf der Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Videos in sozialen Medien zeigten überschwemmte Straßen.

Auf der vom Erdbeben am Samstag schwer getroffenen Halbinsel Tiburon, wo Zehntausende Menschen obdachlos geworden waren, stand das Wasser stellenweise knöchelhoch, wie auf Bildern zu sehen war. Die Bewohner der Gegend, von denen viele bisher im Freien schliefen, suchten etwa in Zelten und unter Planen notdürftig Schutz.

In dem vom Erdbeben beschädigten allgemeinen Krankenhaus von Les Cayes - mit einer Bevölkerung von etwa 90.000 Menschen die größte Stadt im betroffenen Gebiet - waren Patienten zunächst im Innenhof untergebracht worden. Wegen des Regens wurden sie aber hineingebracht, wie der Journalist Frantz Duval auf Twitter berichtete. «Das Dilemma an diesem Morgen: der Schlamm im Freien oder das rissige Gebäude - wo ist man besser geschützt», schrieb er.

Die Zahl der bestätigten Todesopfer des Erdbebens ist nach Angaben von Haitis Zivilschutzbehörde vom Montag auf 1419 gestiegen. Rund 6900 Menschen wurden demnach verletzt - und viele werden noch in den Trümmern zerstörter Gebäude vermutet.

Das Beben der Stärke 7,2 hatte sich am Samstagmorgen (Ortszeit) nahe der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud östlich von Les Cayes in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Gut 37.000 Häuser wurden nach Angaben der Zivilschutzbehörde zerstört, fast 47.000 beschädigt. Nach Unicef-Angaben sind 1,2 Millionen Menschen betroffen. Die Not ist groß in dem Gebiet, das fünf Jahre zuvor von Hurrikan «Matthew» verwüstet worden war. Laut Caritas International werden Nahrung, Trinkwasser, Zelte und medizinische Erstversorgung benötigt.

In Haiti, dem ärmsten Land Amerikas, waren bei einem Erdbeben der Stärke 7,0 im Januar 2010 mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen und mehr als eine Million Menschen obdachlos geworden. Der Wiederaufbau litt stark unter Korruption und Verschwendung.

Fehlende oder beschädigte Infrastruktur droht die Hilfs- und Rettungseinsätze nach dem neuen Beben zu behindern. Auch wegen Kämpfen zwischen Banden um Territorium ist die Fernstraße, die die Hauptstadt Port-au-Prince mit Haitis Süden verbindet, häufig unpassierbar. Diese Gewalt trieb allein im Juni nach UN-Zahlen rund 15.000 Menschen in die Flucht.

Die haitianische Menschenrechtsorganisation RNDDH kritisiert den Umgang der Regierung mit der Katastrophe als «totales Chaos». «Sie sind völlig sich selbst überlassen», heißt es hinsichtlich der Erdbebenopfer. Einige suchen auf eigene Faust nach Zelten zum Schutz vor dem Unwetter. Vor personell unterbesetzten und schlecht ausgestatteten Krankenhäusern warten verzweifelte Verletzte.

Interims-Premierminister Ariel Henry kündigte bei Twitter schnellere Arbeit an. «Wir werden unsere Energien verzehnfachen, um die größtmögliche Zahl von Opfern zu erreichen und ihnen zu helfen», schrieb er. Henry ordnete auch drei Tage Staatstrauer ab Dienstag an.

Haitis ohnehin schwer unterfinanziertes Gesundheitssystem ist durch die sich zuletzt verschlimmernde Pandemie überstrapaziert. Hinzu kommt eine tiefe politische Krise, die sich nach der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse durch eine Kommandotruppe in seiner Residenz am 7. Juli verschärft hat.

«Grace» nahm am Dienstagmorgen (Ortszeit) an Stärke zu und zog weiter Richtung Jamaika. Ein tropischer Wirbelsturm gilt ab 119 Kilometern pro Stunde als Hurrikan.


Bildnachweis: © Joseph Odelyn/AP/dpa
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