27. Mai 2025 / Im Interview

Ein schwereloser Held

Samuel Koch im Interview mit Anuschka Bayer von dem Hello Heroes Podcast

Über Lebensmut, Glauben und neue Perspektiven: Ein bewegendes Gespräch zwischen Anuschka Bayer und Samuel Koch über das, was uns wirklich trägt.

Der Unfall bei Wetten, dass...? hat dein Leben radikal verändert - wie hast du es geschafft, innerlich stark zu bleiben und so viel Resilienz aufzubauen?
Samuel Koch: Es hat eine ganze Weile gedauert und natürlich gibt es auch bei mir solche und solche Tage. Das Leben ist für mich wie für jeden anderen Menschen auch eine Achterbahn. Ich mag Achterbahnfahrten. Anders als auf der Kirmes sollte man auf der Achterbahn des Lebens aber nicht unten stehen bleiben. Ich habe mich entschieden, mich nicht auf das zu konzentrieren, was nicht geht, sondern auf das, was geht. Da bleibt eine ganze Menge zu tun und zu erleben: Ich spiele in München Theater, halte viele Vorträge in Unternehmen und Verbänden, ich reise gerne, treffe Freunde und bin bei meinen Nichten und Neffen als Rollstuhl-Taxi beliebt, wenn es darum geht, wer die Knirpse aus der Kita abholt. Naturlich ist das alles doppelt und dreifach so aufwändig wie bei einem gesunden Menschen, aber was wäre die Alternative? Dass ich zu Hause hocke und meiner Frau auf die Nerven gehe? Das ist keine Option.

Du hast dich trotz aller Herausforderungen entschieden, Schauspieler zu bleiben. Was bedeutet dir dieser Beruf heute?
Samuel Koch: Beim Theater feiere ich, dass man quer durch die Literaturgeschichte von der Antike über die Klassik bis zur Moderne immer wieder herausfinden darf, dass der Phantasie und der Kreativität kaum Grenzen gesetzt sind. Und das Schöne ist, dass meine Kolleginnen und Kollegen keine Berührungsängste haben. Sie sind experimentierfreudig, neugierig und abenteuerlustig. Als ich nach dem Unfall mein Schauspielstudium fortgesetzt habe, dachte ich manchmal: "Es gibt nichts Dämlicheres, als in meinem Lustand so etwas zu machen." Und jetzt denke ich, es gab eigentich nichts Besseres.

Dein Schicksal hat nicht nur dich, sondern auch das deutsche Fernsehen verändert - wie nimmst du diese Entwicklung wahr?
Samuel Koch: Ich glaube, dass mein Unfall zu einer gewissen Zurückhaltung bei riskanteren Spielen in TV-Shows geführt hat. Heute setzen sich kaum noch "normale" Kandidaten einer potenziell gefährlichen Herausforderung aus, sondern nur noch Fernsehprofis. Die Grenzgänger, die das Risiko nicht scheuen, findet man letzt auf YouTube und in den sozialen Netzwerken. Das ZDF hat mir gegenüber bis heute große Berührungsängste. Ich sollte mal für einen Beitrag in der Sendung "Leute heute" in einem Windkanal fliegen. Es war alles geplant, und meine Vorfreude war groß, weil die Schwerelosigkeit mein absoluter Lieblingszustand ist, den ich schon ein paarmal erleben durfte, aber dann hat irgendeine Juristen- oder Versicherungsabteilung die Dreharbeiten untersagt, aus Angst, mir könne erneut etwas zustoßen. Die anderen Sender haben das Samuel-Koch-Trauma nicht und sind ein bisschen offener. Mit Pierre Krause habe ich für die ARD-Mediathek in einem Segelflugzeug gedreht. Das war großartig.

Hast du heute noch Kontakt zu Thomas Gottschalk - und wenn ja, wie ist euer Verhältnis?
Samuel Koch: Ich sehe Thomas gelegentlich bei Fernsehsendungen Backstage oder auf Aftershow-Partys. Wenn wir uns treffen, ist es immer eine herzliche Begegnung.

Warum sind dir Inklusion und echte gesellschaftliche Teilhabe so wichtig?
Samuel Koch: Barrieren sind für mich nicht nur Stufen oder das Fehlen von Aufzügen, sondern vor allem die Hürden in den Köpfen. Barrierefreiheit ist somit eine Frage der Haltung. Ich begegne oft Menschen, die vorsichtig und skeptisch sind und vielleicht Angst vor dem Unbekannten haben und deswegen so eine "Hände in die Hosentaschen-Mentalität" an den Tag legen. Es ist nicht nur im öffentlichen Raum so, sondern auch in Theatem, dass Leute sagen: "Oh, das ist schwierig", "Nein, das geht nicht", "Hier haben wir jetzt ein Problem", "Das haben wir noch nie gemacht und dafür sind wir nicht versichert." Inklusion ist erst dann erreicht, wenn sie zu einer Selbstverständlichkeit im Bewusstsein der Menschen geworden ist, weil dann Lösungen für Probleme entstehen, ohne lange darüber zu diskutieren. Als ich einmal ein Ensembletreffen mit meinen Kollegen hatte, stand ich plötzlich vor sieben oder acht Stufen und kam nicht rein. Drei Minuten später saß ich drinnen am Tisch. Die Kollegen hatten mich einfach hochgetragen. Das ist doch viel besser, als mit dem Modewort Inklusion über den Hausherrn und die fehlende Rampe zu schimpfen.

Welchen Rat würdest du Menschen geben, die selbst einen schweren Einschnitt in ihrem Leben erleben - körperlich, emotional oder seelisch?
Samuel Koch: Ich bin kein Freund von Ratschlagen, denn was für mich gilt, muss nicht für andere Menschen richtig sein. Ich kann - wenn es gewünscht ist - von mir erzählen und freue mich, wenn es dem ein oder anderen Hilfestellung und Inspiration ist. Nicht jeder hat das Glück, eine so großartige Familie und beste Freunde zu haben wie ich, auf die ich mich stützen und verlassen kann. Ich habe gelernt, um Hilfe zu bitten und Hilfe anzunehmen. Und Achtung jetzt wird's abgefahren: Gerade in den verzweifelten Momenten, wenn ich mich unverstanden und allein gelassen fühlte, habe ich es gewagt zu beten und durfte dabei erfahren, dass mein Glaube nicht nur ein psychologisches Hilfskonstrukt oder die Flucht aus der eigenen Bedeutungslosigkeit ist, sondern mir unerklärliche Freude und tiefen, echten Frieden geschenkt hat. Sonst könnte und würde ich wohl nicht weiterkämpfen. Dass ich liebe Menschen und Gott an meiner Seite weiß, gibt mir Kraft, Zukunftsfreude und Gestaltungsmut.

Höre auch das ganze Gespräch auf dem Hello Heroes Podcast von Anuschka Bayer.

Bildnachweis: ©Sergej Falk

Meistgelesene Artikel

Wasserstau: Nach Gletscherabbruch spitzt sich die Lage zu
Aus aller Welt

Die Umgebung des Dorfes Blatten gleicht einer Mondlandschaft, aber jetzt droht weitere Gefahr. Der Schuttkegel dürfte die riesigen aufgestauten Wassermassen nicht mehr lange halten können.

weiterlesen...
Nach Gletscherabbruch: Gestauter See läuft ab
Aus aller Welt

Der bedrohliche See, der sich nach dem Gletscherabbruch im Wallis am gestauten Fluss Lonza gebildet hat, läuft langsam ab. Nun schauen alle bange auf die Wettvorhersage.

weiterlesen...
Hellwegs Erdbeeren aus Langenberg und Gütersloh
Good Vibes

Erlebe den puren Erdbeergenuss – direkt vom Feld auf deinen Tisch!

weiterlesen...

Neueste Artikel

Wombacher kochen 465 Kilogramm schweren Rekord-Kloß
Aus aller Welt

Das unterfränkische Wombach wollte das 700-jährige Dorfjubiläum mit einer besonderen Aktion würzen. Es musste ein Weltrekordversuch her. Das Ergebnis überzeugte auf der Waage - und kulinarisch auch.

weiterlesen...
Messerangriff in Hamburg: Was einen Monat danach bekannt ist
Aus aller Welt

Gut vier Wochen nach dem Messerangriff am Hamburger Hauptbahnhof werden die Ermittlungen umfangreicher. Die Staatsanwaltschaft befasst sich nun auch mit einem Vorfall in Schleswig-Holstein.

weiterlesen...